Berichte

Pilgern – „beten mit den Füßen“

Gerade in den freundlichen Jahreszeiten machen sich viele Menschen aus verschiedenen Gründen auf den Pilgerweg.
Müde und erschöpft aber auch erleichtert und froh sinkt Elisabeth in der kühlen Kirche vor dem Altar auf die Knie. Leise betet sie, dankbar für den stillen, erholsamen Moment und dass sie den weiten und beschwerlichen Pilgerweg an diesen heißen Sommertagen geschafft hat. Gemeinsam mit anderen war Elisabeth drei Tage unterwegs – es ging über Berg und Tal, entlang vielbefahrener Straßen und durch einsame Wald- und Wiesenstücke. „Der Weg hat mir geholfen, vieles zu überdenken und mit mir wieder ins reine zu kommen – und er hat mir viel Gottesvertrauen geschenkt“, sagt Elisabeth.
Wie Elisabeth unterbrechen immer mehr Menschen den Alltag, ziehen die Wanderschuhe an, packen den Rucksack und machen sich auf den Weg, um zu pilgern. Pilgern – das kennt man aus alle Religionen und Kulturen in allen Teilen der Welt und zu allen Zeiten. Alle Religionen kennen heilige Orte, zu denen hin sich Menschen auf den Weg machen. Im Christentum hat das Pilgern eine uralte Tradition. „Leute des Weges“ haben sich die Christen des ersten Jahrhunderts genannt. Ein Leben lang waren sie unterwegs zu Gott auf der Suche nach dem Heil.
Heute ist das Pilgern gerade in unseren Breiten so „modern“ wie selten zuvor. Da macht sich auch so mancher auf den Pilgerweg, der dem Glauben und/oder der Kirche sonst skeptisch oder gar ablehnend gegenübersteht. Da wird nach Stille, innerer Einkehr oder nach einem „Zu-sich-kommen“ gesucht. Das nachdenkliche Wandern, so die Erfahrung, macht den Kopf frei, man kann vom Alltag abschalten – und das wiederum stärkt und gibt Kraft. Denn beim Pilgern gilt – im Gegensatz zum Wallfahren – schon der Weg als Ziel.
Jeder hat wohl so seinen ganz persönlichen Grund für eine Pilgerreise. Dennoch war und ist christliches Pilgern zuallerst religiös motiviert. Die geistige Kraft der heiligen Stätten soll den Glauben stärken. Das Ziel der vielen Gläubigen, die sich alljährlich auf eine Pilgerreise oder Wallfahrt machen, ist vor allem Gottes Nähe zu spüren.
„Pilgern, das ist die alte und wiederentdeckte Form des Betens“, sagt Angela Wippel. Die Pilgerbegleiterin und Mitarbeiterin des Arbeitskreises „Pilgern und Wallfahren“ der Diözese St. Pölten weiß, dass „die Wege, auf denen wir wandeln, uns auch ein bisschen verwandeln“. Es gehe darum, sich auf den Weg einzulassen und zu schauen, was passiert. Denn beim Pilgern könne man die Gegenwart Gottes erfahren, als Schöpfer über diese wandelbare Welt. Und Wippel betont, dass das Pilgern viel mit dem Leben zu tun hat: „Manche sind enttäuscht, wenn es manchmal laute, anstrengende oder landschaftlich nicht so schöne Etappen gibt – aber das hat viel mit dem eigenen Leben zu tun, das ist ja auch nicht immer schön, leicht und angenehm.“
Zu den Kennzeichen des gläubigen Pilgerns gehören neben der Stille und dem Gebet auch die Gemeinschaftserfahrung. Pilger tun sich daher oft zusammen, um auf den mühsamen Wegen zu singen und zu beten. In dieser Gemeinschaft drückt sich für sie eine lebendige Kirche aus. Viele Pilger schöpfen aus einer solchen gemeinsamen Glaubenserfahrung eine Stärkung ihres Glaubens sowie Kraft für den Alltag.
Pilgern hat Menschen zu allen Zeiten fasziniert und verändert. Es verhilft vielen Menschen neu oder anders zum Glauben an Gott; es erweitert Horizonte, fördert das Staunen und die Freude an der Vielfalt der Natur, der der Kultur und der Menschen, die einem auf dem Weg begegnen oder begleiten. Und nicht zuletzt schafft das Pilgern eine tiefe Freude, wenn das Ziel erreicht ist.

In der Diözese St. Pölten gibt es eine Vielzahl von Pilgerwegen, Wallfahrtsorten oder spirituellen Wegen.
Informationen, Termine für Pilgerreisen und Wallfahrten sowie gute Tipps für den Weg gibt es auf der Homepage „pilgern.dsp.at“; Kontakt: Angela Wippel unter Tel. 0676/8266 15 100; Mag. Hermann Kremslehner: Tel. 0676/5694673.
Beim Behelfsdienst der Pastoralen Dienste der Diözese St. Pölten liegen zudem verschiedene hilfreiche Broschüren auf, wie z. B. das „Wallfahrerheft“ oder die Pilgerkarte „Pilgern in Österreich“. Manche Etappen auf dem Pilgerweg sind anstrengend und landschaftlich nicht so schön – das hat viel mit dem eigenen Leben zu tun, das auch nicht immer leicht und schön ist.

 

Pilgerbegleiter-Ausbildung

Ihre viertägige Praxispilgerung absolvierten Anfang Juni die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Pilgerbegleitlehrganges der Diözese St. Pölten und des BildungsZentrums St. Benedikt. Dabei ging es von Melk über Maria Taferl, Neustadtl, Kollmitzberg, Stift Ardagger, Zeillern, Aschbach zur Wallfahrtsbasilika am Sonntagberg. So sollten neben den Theorieeinheiten auch praktische Erfahrungen gesammelt werden. Aus diesem Grund wurde jeder einzelne Tag von einer anderen Teilnehmergruppe organisiert und begleitet. Betreut wurden die jeweiligen Gruppen dabei von den Lehrgangsleitern, den Pilgerbegleitern Marianne und Stefan Kimeswenger. Nach Ausarbeitung ihrer „Prüfungs-Pilgerung“ im Sommer erhalten die Teilnehmer im September ihre Pilgerbegleiterzertifikate.


Ein neuer Pilgerbegleitlehrgang ist geplant. Dieser Lehrgang befähigt Menschen auf Pilgerungen in christlicher Spiritualität zu begleiten.
Nähere Infos dazu im BildungsZentrum St. Benedikt in Seitenstetten.
Kontakt: Tel. 07477/42885; www.st-benedikt.at.